Arbeit und Organisation im Wandel: Was KI wirklich verändert
Veröffentlicht am 10. Juni 2025
- Daten & Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz als Treiber für menschliche und organisatorische Transformation
Künstliche Intelligenz ist längst keine Zukunftsvision mehr – sie ist Realität. Sie ist in Tools, Entscheidungsprozesse und Arbeitsabläufe integriert. Ihre neuesten Ausprägungen – von generativer bis hin zu agentischer KI – gehen über reine Automatisierung hinaus: Sie greifen in kognitive Fähigkeiten des Menschen ein, etwa in Analyse, Textproduktion oder Ideenfindung. Getrieben durch eine breite Nutzung, oft initiiert von Mitarbeitenden selbst, entfaltet KI ihre Wirkung weit über einzelne Pilotprojekte hinaus. Sie verändert tiefgreifend Arbeitsweisen, Rollenbilder, Beziehungen, Führung, Organisationen – und unser Verständnis von Arbeit.
Wer KI nur als Mittel zur Effizienzsteigerung betrachtet, greift zu kurz. Jenseits ihrer technischen Leistungsfähigkeit, die sich rasant weiterentwickelt, ist KI heute vor allem eines: ein Katalysator für grundlegenden Wandel. Sie zwingt uns, den Wert von Arbeit neu zu definieren.
In diesem Kontext rückt die HR-Funktion in eine Schlüsselrolle. Als Hüterin von Menschen, Kompetenzen und Zukunftsfähigkeit muss sie den Wandel aktiv mitgestalten: Mitarbeitende in einer zunehmend hybriden Arbeitswelt begleiten, Auswirkungen auf Karrieren antizipieren, ethische und inklusive Rahmenbedingungen schaffen – und nicht zuletzt die eigenen Praktiken neu denken.
Vor diesem Hintergrund haben ANDRH Paris-Étoile, French Tech Grand Paris und Wavestone eine gemeinsame Initiative ins Leben gerufen – mit einem klaren Ziel: die Auswirkungen von KI auf Arbeit, Organisationen und die HR-Funktion besser zu verstehen. Diese Publikation, entstanden in Zusammenarbeit mit HR-Leitungen großer Unternehmen, bietet eine kompakte Analyse der Veränderungen in zentralen HR-Prozessen. Sie soll HR-Verantwortlichen Orientierung geben – für einen verantwortungsvollen, menschenzentrierten und zukunftsorientierten Umgang mit KI in öffentlichen wie privaten Organisationen.
Die Studie auf einen Blick: 10 zentrale Erkenntnisse
KI steht zunehmend für Innovationskraft und Modernität – ein wichtiges Signal im Employer Branding, das von Bewerbenden ähnlich stark gewichtet wird wie soziale oder ökologische Verantwortung. Sie ermöglicht eine personalisierte Employee Experience, stellt aber auch Fragen nach Zusammenhalt und klaren Entwicklungspfaden. Entscheidend für ihre Wirkung auf die Arbeitgeberattraktivität ist, wie gut sie in die Kultur und Werte des Unternehmens eingebettet ist. Transparenz im Umgang mit KI im HR-Bereich wird so zum Schlüsselfaktor für Vertrauen und Glaubwürdigkeit.
Der Einsatz von KI im Recruiting bringt Effizienzgewinne – verlangt aber auch erhöhte Aufmerksamkeit für Fairness, Transparenz und mögliche Verzerrungen. Bewertungsmaßstäbe verändern sich: Eigenschaften wie Neugier oder der souveräne Umgang mit KI gewinnen an Bedeutung, ohne klassische Fachkompetenz zu ersetzen. Der Mensch bleibt Garant für eine faire und wertschätzende Candidate Experience. Auch die Anerkennung KI-bezogener Kompetenzen – etwa in Vergütungsmodellen – muss ausgewogen erfolgen und andere relevante Fähigkeiten mitdenken.
KI verändert Kompetenzanforderungen grundlegend. Gefragt sind weniger rein technische Spezialkenntnisse, sondern vernetztes Denken und kontinuierliches Lernen. Jobs werden nicht zwangsläufig ersetzt, sondern transformiert – hin zu hybriden Fähigkeiten wie kritischem Denken, Anpassungsfähigkeit und Zusammenarbeit mit Maschinen. Um soziale Spaltungen zu vermeiden, müssen Unternehmen auf inklusive Lernangebote setzen. Menschliche Expertise bleibt unverzichtbar – vor allem dort, wo Maschinen an ihre Grenzen stoßen: bei Urteilsvermögen, Empathie und Kontextverständnis.
KI eröffnet neue Perspektiven für interne Mobilität, die rein menschliche Einschätzungen oft nicht erkennen. Doch ihr Potenzial entfaltet sich nur unter transparenter, menschlicher Steuerung. Sie kann Lernprozesse beschleunigen, birgt aber auch das Risiko, klassische Entwicklungspfade zu entwerten – etwa wenn reale Erfahrung oder der Umgang mit Komplexität zu wenig berücksichtigt werden. Erfahrene Fachkräfte sehen ihre Rolle im Wandel: hin zu Orientierung, Weitergabe von Wissen und strategischer Einordnung – vorausgesetzt, sie bleiben selbst lernbereit.
In einer Arbeitswelt, in der menschliche Beiträge zunehmend mit Ergebnissen von KI-Systemen verschmelzen, wird es unerlässlich, Leistung neu zu definieren. Es zählt nicht mehr nur das Messbare – auch Verhaltenskompetenzen müssen stärker berücksichtigt werden. Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle: Sie interpretieren Ergebnisse, würdigen individuelle Beiträge und schaffen ein vertrauensvolles Umfeld, in dem Mitarbeitende offen über ihren KI-Einsatz sprechen können – ohne Angst vor Bewertung oder Legitimitätsverlust.
Die Veränderungen durch KI wirken tief in die kulturellen und kollektiven Strukturen der Arbeit hinein. Indem sie Interaktionen verändert, kann sie informelle Bindungen und das oft unsichtbare soziale Engagement von Mitarbeitenden schwächen. Unterschiedliche Generationen gehen unterschiedlich mit KI um – das birgt Spannungen, aber auch Chancen für gegenseitiges Lernen, die aktiv gefördert werden sollten. KI verändert zudem unser Verhältnis zu Zeit und mentaler Belastung: Sie kann kognitive Überforderung verstärken, aber auch diskret entlasten. Die Qualität des Miteinanders zu sichern, wird zur zentralen Aufgabe für HR und Führungskräfte.
Digitale Teilhabe wird zur Schlüsselfrage – denn der Zugang zu KI ist je nach Tätigkeit oder Organisation ungleich verteilt. Die HR-Funktion muss für faire Zugänge sorgen und KI in ein umfassendes Konzept sozialer Verantwortung einbetten. Dazu gehört auch, ökologische Auswirkungen zu berücksichtigen und gemeinsam mit CSR-, Rechts- und IT-Abteilungen eine ethische Governance zu etablieren. Ziel ist nicht nur die Einhaltung von Regeln, sondern die Entwicklung nachhaltiger Standards für einen verantwortungsvollen und gemeinschaftlichen KI-Einsatz.
Der soziale Dialog rund um KI entwickelt sich – getrieben von engagierten, zunehmend technikaffinen Sozialpartnern. Auch wenn die Herangehensweisen in Unternehmen noch unterschiedlich sind, kristallisieren sich erste gemeinsame Diskussionslinien heraus – etwa zu Anwendungsfällen und menschlichen Auswirkungen. Angesichts einer tiefgreifenden, dynamischen Transformation braucht es neue, flexiblere Formate des Austauschs. Mehrstufige, offene Dialogräume könnten eine breitere und nachhaltigere Auseinandersetzung mit KI ermöglichen.
Da KI die Grenzen zwischen HR, IT und Fachbereichen zunehmend aufweicht, muss HR seine Rolle bei der Gestaltung von Arbeitsorganisation und Mitarbeitererfahrung klar behaupten. Ohne abgestimmte Governance drohen unkoordinierte Einzelinitiativen. Unterschiedliche Perspektiven von HR-Verantwortlichen können dabei als Lernmotor wirken. Gleichzeitig verändert KI auch die Rollen innerhalb von HR – und eröffnet den Weg zu einem neuen, stärker vernetzten und karriereorientierten Betriebsmodell.
KI eröffnet der HR-Funktion neue Handlungsspielräume – legt aber auch strukturelle Schwächen offen, die bislang oft unterschätzt wurden. Die breite Umsetzung von KI-Anwendungen im HR-Bereich scheitert häufig an komplexen Systemlandschaften, mangelhafter Datenqualität oder einer fehlenden strategischen Vision. Die Herausforderung ist weniger technischer als organisatorischer Natur: Damit KI zum echten Transformationshebel wird, braucht es agile Steuerung, eine konsistente Infrastruktur und ein stringentes Datenmanagement – als verlässliche Basis für relevante und vor allem nachhaltige Anwendungen.
Arbeit und Organisation im Wandel: Was KI wirklich verändert
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Studie jetzt herunterladen (auf Englisch)Unser besonderer Dank gilt allen HR-Direktor:innen, die zu dieser Studie beigetragen haben:
- Dan Abergel, CMA CGM
- Jacques Adoue, Edenred
- Franck Aime, Veepee
- Julien Bourgeois, Louis Vuitton
- Samantha Bowles, Clariane
- Dominique Cavalié, Française des Jeux
- Laurent Choain, Forvis Mazars
- Jérôme Friteau, Assurance Retraite
- Hélène Halec, APEC
- Olivier Hérout, Equans
- Sarah Hette, Kiabi
- Lydie Jallier, Keolis
- Dominique Laurent, Schneider Electric France
- Sylvain Montcouquiol, Unibail-Rodamco-Westfield
- Guillaume Rabel-Suquet, Petit Forestier Group
- Anne Rebuffel, Axa France
- Delphine Salla, Axa France
- Philippe Trimborn, Orange
- Anne-Catherine Unger, Alstom
- Majda Vincent, Sodexo France