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Die nächste Stufe der Medizintechnik: Patientenerfahrung als Schlüssel zu besseren Behandlungsergebnissen

Veröffentlicht am 12. Juni 2025

  • Life Sciences

In den letzten Jahren ist die Patientenerfahrung zu einem zentralen Thema im Gesundheitswesen geworden. Während viele Pharmaunternehmen große Fortschritte gemacht haben, indem sie die Bedürfnisse und das Feedback der Patienten in ihre Strategien integriert haben, besteht bei MedTech-Unternehmen noch Nachholbedarf.

Der Medizintechnik-Sektor wächst weiter: Von 630 Milliarden US-Dollar im Jahr 2025 steigt der Markt bis 2029 auf erwartete 770 Milliarden US-Dollar. Dieses Wachstum stellt MedTech-Unternehmen vor Herausforderungen, bietet ihnen aber auch die Chance, ihre Strategien zur Patientenbetreuung zu stärken, bessere Patientenerfahrungen zu schaffen und die Behandlungsergebnisse insgesamt zu verbessern.

In der Praxis umfasst die Patientenerfahrung alle Initiativen, die darauf abzielen, die Bedürfnisse der Patienten zu verstehen und darauf einzugehen. Durch reibungslose und personalisierte Interaktionen sollen Vertrauen, Eigenverantwortung und Zufriedenheit geschaffen werden. Das Ziel besteht darin, jeden Schritt des Behandlungswegs positiv und sinnvoll zu gestalten, um die Gesundheit der Patient:innen langfristig zu verbessern.

Magnus Franzen, Patient Experience & Outcomes Expert

Im Medizintechnikbereich können viele Produkte, wie etwa orthopädische Implantate, Herz-Kreislauf-Geräte, Lösungen für das Diabetesmanagement oder Systeme zur Fernüberwachung von Patienten, von einem ähnlichen Ansatz wie in der Pharmabranche profitieren. Dabei muss jedoch zusätzlich ein Fokus auf die umfassenderen Herausforderungen der Patient:innen entlang des gesamten Behandlungswegs gelegt werden. Eine bessere Unterstützung der Patient:innen bei der Verwendung dieser Produkte kann dazu beitragen, die Gesundheitsvorschriften besser einzuhalten, Genesungs- bzw. Rehabilitationszeiten zu verkürzen und die Behandlungsergebnisse insgesamt zu verbessern.

Selbstverständlich eignen sich manche Medizintechnikprodukte weniger für einen solchen Ansatz. Bei Operationstechniken und chirurgischen Instrumenten steht die Erfahrung des medizinischen Personals klar im Mittelpunkt. Aber auch hier lohnt sich ein Blick auf den Patientennutzen. Eine bessere OP-Technik kann Krankenhausaufenthalte verkürzen oder die Zahl der Nachbehandlungen reduzieren und letztendlich auch die Erfahrung der Patienten verbessern.

Bessere Patientenerfahrung: Ein Hebel für nachhaltige Differenzierung

In Zeiten, in denen Patienten mehr Wahlmöglichkeiten und Zugang zu Informationen haben als je zuvor, heben sich Unternehmen ab, die echtes patientenzentriertes Denken zeigen. Die strategischen Vorteile liegen auf der Hand: Innovationen, die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Patienten orientieren, schaffen langfristig Vertrauen und Loyalität.

Es gibt durchaus positive Beispiele von Vorreitern im MedTech-Bereich, insbesondere was den Umgang mit Patientengruppen betrifft.

  • Johnson & Johnsons Initiative „My Health Can’t Wait“ ermutigt Patient:innen, ihre Gesundheit ernst zu nehmen und Behandlungen nicht aufzuschieben – sie startete zunächst in unterversorgten Zielgruppen. Solche Programme steigern das Engagement der Patienten und verstärken die Bereitschaft, eine Behandlung zu beginnen, was sich langfristig auch positiv auf die Therapietreue auswirkt.
  • Edwards Lifesciences hat seine Patientenbetreuung ausgebaut und erkannt, wie wichtig es ist, Patienten zuzuhören und ihr Feedback in die Produktentwicklung einzubeziehen. Im Rahmen seines „Experience Program” veranstaltet Edwards Lifesciences Events, bei denen Patienten an Diskussionen teilnehmen können, um die Erfahrungen und Beziehungen von Patienten und Betreuern zu verbessern. Dadurch entsteht ein Gemeinschaftsgefühl unter den Patienten und Edwards erhält wertvolles Feedback, sodass das Unternehmen seine Produkte und Services besser an die Patientenbedürfnisse anpassen kann.
  • Advocacy-Partnerschaft zwischen Philips & Medtronic: Philips und Medtronic Neurovascular haben eine strategische Partnerschaft geschlossen, um den Zugang zu einer schnellen Schlaganfall-Diagnose und -Behandlung zu verbessern. Durch den Beitritt zur „Advocacy Coalition” der World Stroke Organization wollen die beiden Unternehmen das Bewusstsein in der Öffentlichkeit schärfen, die Anzahl spezialisierter Schlaganfall-Krankenhäuser erhöhen und moderne Technologien für eine integrierte Schlaganfallversorgung nutzen.

Sich an den Best Practices der Pharmaindustrie orientieren

Auch wenn es im Bereich der Medizintechnik viele inspirierende Beispiele gibt, haben die Pharmaunternehmen den Ton angegeben. Sie arbeiten eng mit Patientenorganisationen zusammen, binden Patienten in klinische Studien ein und bieten umfassende Unterstützungsprogramme nach der Verschreibung an, die auf vielfältige Bedürfnisse eingehen – seien sie körperlicher, sozialer oder emotionaler Natur.

Trotz dieser gelungenen Beispiele aus der MedTec-Branche geben Pharmaunternehmen in diesem Bereich weiterhin den Takt an. Sie arbeiten nicht nur erfolgreich mit Patientenorganisationen zusammen, sondern beziehen Patienten in klinische Studien ein und bieten nach der Verschreibung umfassende Unterstützungsprogramme, die körperliche, soziale und emotionale Bedürfnisse abdecken.

Die Pharmaindustrie könnte insgesamt zwar noch mehr tun, doch viele Unternehmen haben bereits erkannt, welche Vorteile eine engere Beziehung zu ihren Patient:innen mit sich bringt. Sie haben daher damit begonnen, die Patientenerfahrung während der gesamten Behandlung spürbar zu verbessern.

Glen McCracken, Patient Support Programme Specialist

Fünf Wege, wie die Pharmaindustrie die Patientenerfahrung verbessert

Aus der Praxis wissen wir, dass es fünf konkrete Ansätze gibt, mit denen viele Pharmaunternehmen die Patientenerfahrung während des gesamten Behandlungsverlaufs deutlich verbessern konnten:

Die wirkungsvollsten Unterstützungsprogramme basieren auf belegten Bedürfnissen, einem verhaltenswissenschaftlichen Blick auf Überzeugungen und Verhaltensweisen sowie einem praktischen Verständnis dafür, wie diese je nach Land durch Gesundheitssysteme und soziale Normen beeinflusst werden. Ein innovativer Ansatz ist das Unternehmen „A Life in Day“, das echte immersive Erlebnisse bietet.

Welche Chancen bieten sich für MedTech-Unternehmen?  

Auch wenn MedTech-Unternehmen nicht denselben klinischen Studienansatz verfolgen, müssen Patientenrückmeldungen in den F&E-Prozess einfließen. Die Integration von Patientenfeedback in Design und Entwicklung verbessert nicht nur die Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit von Medizinprodukten, sondern stellt auch sicher, dass sie den praktischen Bedürfnissen der Patienten entsprechen.

 

„Wir sehen Potenzial, den Prozess durch eine stärkere und tiefere Patientenbeteiligung weiterzuentwickeln, um Produktverbesserungen und neue Produkteinführungen zu erreichen. Das könnte viel schneller und iterativer geschehen, als es die Pharmaindustrie bei Design und Entwicklung schafft.“

Lara Rogers, MedTech Transformation Advisor

 

Der Einsatz von KI-gestützten Analysen und prädiktiven Modellen bringt hier den entscheidenden Schritt nach vorn, indem Stimmungsanalysen, Insights und Trends schnell aus sämtlichen Patientenrückmeldungen gewonnen werden können.

Drei praktische Empfehlungen für MedTech-Führungskräfte

  • Fördern Sie eine Kultur der aktiven Patientenbeteiligung, indem Sie offene, transparente und gleichberechtigte Partnerschaften mit relevanten Patientenorganisationen eingehen. Investieren Sie in Initiativen, die tiefere und nachhaltigere Verbindungen zu Patientengemeinschaften ermöglichen.
  • Nutzen Sie Customer-Experience-Methoden, um Patienten zu segmentieren und ihre gelebten Erfahrungen sowie deren Einfluss auf Behandlungsergebnisse entlang der Pateint Journey wirklich zu verstehen.
  • Sorgen Sie dafür, dass Lösungen benutzerfreundlich sind und nahtlose Erfahrungen für Patienten bieten, die ihre Gesundheit von zu Hause aus verwalten. Arbeiten Sie außerdem mit Gesundheitsdienstleistern zusammen, um diese Technologien in umfassendere Betreuungspläne zu integrieren.

Zeit für (mehr) Kulturwandel?

Wir von Wavestone sind überzeugt, dass MedTech-Unternehmen die Chance haben, zu ihren Pendants aus der Pharmaindustrie aufzuschließen und außergewöhnliche Patientenerfahrungen zu bieten. So bleiben sie in einer sich schnell wandelnden Gesundheitslandschaft relevant und wettbewerbsfähig.

 

„Es muss mit einer Denkweise beginnen, die Kultur dahingehend zu verändern, dass die Patientenerfahrung zu einem festen Bestandteil der organisatorischen Entscheidungsfindung wird.“

Lara Rogers, MedTech Transformation Advisor

 

Wenn MedTech-Unternehmen Patientenbeteiligung priorisieren, Feedback in die Produktentwicklung integrieren und digitale Gesundheitslösungen einfühlsam einsetzen, können sie die Erfahrungen der Patient:innen verbessern, die Behandlungsergebnisse optimieren und dauerhaftes Vertrauen aufbauen.

Verfasst von:

  • Glen McCracken

    Associate Partner – Schweiz, Genf

    Wavestone

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  • Lara Rogers

    Partner – Vereinigtes Königreich, London

    Wavestone

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  • Magnus Franzén-Rossi

    Partner – Vereinigtes Königreich, London

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