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Low-Code-Plattformen: Effiziente Prozessgestaltung für Banken und Versicherungen

Veröffentlicht am 13. April 2024

  • Banken
  • Versicherungen

Sowohl Banken als auch Versicherungskonzerne sind aktuell einem hohen Wettbewerbsdruck durch neue Produkteinführungen, regulatorische Veränderungen und dem sich verändernden hybriden Kundenverhalten ausgesetzt. Die Vielfalt potenzieller Kunden-Touchpoints nimmt stetig zu und damit insbesondere die Nachfrage nach meist digitalen Lösungen. Um diesen veränderten Kundenanforderungen gerecht zu werden, müssen Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche ihre Prozesse effizienter gestalten und das Kundenerlebnis kontinuierlich überprüfen und verbessern.

Low-Code-Plattformen als modularisierter Baukasten

Um Prozesse effizienter und kundenzentrierter zu gestalten, hat in den letzten Jahren der Einsatz von Low-Code-Plattformen zunehmend an Popularität gewonnen. Low-Code-Plattformen ermöglichen Unternehmen, ohne umfangreiche Programmierkenntnisse schnell und einfach maßgeschneiderte Anwendungen zu erstellen und bedarfsgerecht anzupassen. Ein Low-Code-System kann somit als ein stark modularisierter Baukasten betrachtet werden, der die Möglichkeit bietet, aus vorgefertigten Bausteinen und Komponenten individuelle Anwendungen – wie z. B. Antragsstrecken in der Finanzdienstleistungsbranche – aufzubauen.

Konfigurieren statt programmieren

Ein Low-Code-System kann von sogenannten Citizen Developers bedient werden. Die Grundlage hierfür ist ein Training für Mitarbeitende aus Businessbereichen, das grundlegende IT-Systemkenntnisse vermittelt und den Umgang mit dem Low-Code-System trainiert. Fundierte Programmierkenntnisse sind nicht erforderlich. Durch Schulungen sind Citizen Developer in der Lage, Applikationen inklusive Businesslogik in einem Low-Code-System zu implementieren. Darüber hinaus können sie diese Anwendungen selbstständig launchen und betreiben. Das Ergebnis sind deutlich kürzere Realisierungszeiten, was in der Praxis beispielsweise den Aufbau verschiedener Varianten einer Antragsstrecke beschleunigt.

Höchstmaß an Flexibilität, Schnelligkeit und Time-to-Market

Eine Low-Code-Lösung bietet Unternehmen ein Höchstmaß an Flexibilität bei der schnellen Änderung und Optimierung einzelner Komponenten einer Anwendung. Vertriebs- und Serviceanwendungen oder MVP-Lösungen können durch den Einsatz einer modularen Anwendungsarchitektur flexibel angepasst oder gar neu aufgebaut werden.

Erläuterung MVP (Minimum Viable Product)

Unter einem MVP versteht man ein Produkt oder eine Dienstleistung, die nur die notwendigsten Funktionen zur Lösung des identifizierten Kundenproblems enthält. Ziel der Markteinführung eines MVP ist es, frühzeitig im Entwicklungsprozess Feedback zur Lösung zu erhalten und Optimierungen vorzunehmen.

Neben dieser erhöhten Flexibilität ist die enorme Geschwindigkeit ein weiterer entscheidender Vorteil von Low-Code-Lösungen. Dank der intuitiven Benutzeroberfläche können Anwendungen oder Prototypen deutlich schneller als mit herkömmlichen Programmiermethoden entwickelt werden. In Kombination mit einem kontinuierlichen Tracking des Nutzerverhaltens und der Erfassung von Absprungraten kann so nutzer- und kundenzentriert agiert und die Conversion Rate sukzessive optimiert werden. Diese verkürzte Time-to-Market ermöglicht es, schneller zu handeln und einen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb aufzubauen, was insbesondere im Hinblick auf die laufende Einführung neuer Produkte und Services durch FinTechs und InsurTechs, aber auch durch konkurrierende Konzerne von entscheidender Bedeutung ist.

Schnelle Optimierung der Conversion Rate

Die Vorteile in puncto Effizienz und Reaktionsfähigkeit, die Low-Code-Plattformen ermöglichen, kommen somit vor allem dort zum Tragen, wo ein rasanter Wandel der Kundenbedürfnisse zu beobachten ist – und dieser vollzieht sich in aller Regel schneller als die derzeit noch etablierten IT-Entwicklungszyklen. Veränderte Erwartungen bestimmter Zielgruppen an digitale Antragsstrecken können so beispielsweise in der Gefährdung einer stabil guten Conversion Rate über digitale Kanäle münden. Dies führt nicht nur zu Umsatzeinbußen, sondern auch zu Einbußen beim „Return-on-Invest“ etwaiger Marketingkampagnen, die diese Zielgruppen adressieren.

Ein Beispiel

Ein Girokonto für junge Erwachsene wird durch eine Werbekampagne in den sozialen Medien beworben. Die Kampagne erregt viel Aufmerksamkeit, führt aber nur zu wenig neuen Kontoabschlüssen. Stattdessen zeigen Tracking-Systeme durch hohe Bounce Rates, dass viele Leute während des Antragsprozesses abspringen. Wie stellt man also sicher, dass potenzielle Kunden, kurz bevor sie das Konto final eröffnen, nicht frustriert aufgeben? Eine Low-Code-Plattform ermöglicht es den Verantwortlichen, mit wenig Aufwand moderne und zielgruppenoptimierte Benutzeroberflächen zu erstellen, sie zu testen und das gesamte Kundenerlebnis selbstständig zu optimieren. Durch die konsequente Analyse und Auswertung des Nutzerverhaltens können einzelne Schritte im Antragsprozess stetig verbessert werden

Produktportfolio IT-seitig schnell erweitern

Low-Code eignet sich nicht nur für schnelle UI-Optimierungen. Aktuelle Disruptionen wie im Bereich der E-Mobilität zeigen, dass die Produktentwicklung von Versicherern und die IT schnell auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren müssen. So konnten Versicherer durch die Einführung von E-Scootern ihr Produktportfolio im Rahmen der Kfz-Versicherung um eine Haftplicht- und Teilkaskoversicherung speziell für E-Scooter erweitern und in die Antragsstrecke integrieren. Diese schnellen Anpassungen sind aber auch für andere Technologien relevant: Drohnen benötigen einen Versicherungsschutz, aber auch Produktabspaltungen wie spezielle Fahrradversicherungen, die auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind, machen immer neue Anpassungen nötig. Der technische Aufwand bei klassischen Systemen ist dabei erheblich. Mit Low-Code kann die Umsetzung deutlich beschleunigt werden. Je nach Produktkomplexität kann ein Go-Live durch die Veröffentlichung einer neu gestalteten Antragsstrecke innerhalb weniger Wochen erfolgen.

Mit Low-Code-Plattformen Kosten und Ressourcen sparen

Der Einsatz von Low-Code-Plattformen ermöglicht Unternehmen langfristig, wertvolle IT-Ressourcen und damit verbundene Kosten einzusparen. Nach dem initialen Aufsetzen der Plattform durch ein Developer Team werden Entwickler:innen durch wegfallende Entwicklungsarbeiten in der Optimierung und Anpassung von Anwendungen spürbar entlastet, sodass Finanzdienstleister ihre IT-Budgets effizienter nutzen sowie das vorhandene technische Know-how für weitere, strategische Projekte freisetzen können.

Dennoch darf nicht unterschätzt werden, dass gerade bei der Integration der Plattform IT und Business Hand in Hand arbeiten müssen. Die Vielfalt an fachlichen Anwendungsfällen und Ansätzen für den Einsatz von Low-Code bringt unterschiedliche Anforderungen an die notwendigen Programmierkenntnisse für den initialen Aufbau sowie die Pflege der Plattform mit sich. Dies gilt beispielsweise in Hinblick auf erforderliche Schnittstellen, individuelle Anpassungen oder notwendige Datenbankanbindungen. Nach erfolgreicher Implementierung kommen die Vorteile des Low Code-Systems durch die einfache Bedienung von Citizen Developern zum Tragen.

UX-Designer:innen weiterhin enorm wichtig

Was Citizen Developern in der Regel fehlt, ist die Expertise von IT-Architekt:innen und UX-Designer:innen. Ein:e IT-Architekt:in plant und konstruiert Applikationen nach Best-Practice-Ansätzen, die auf Wartbarkeit und Flexibilität abzielen. Lässt man diese Ansätze außen vor, kann auch ein Low-Code-System so „verbaut“ werden, dass es auf einem Stand stehen bleibt, der eine Weiterentwicklung blockiert. Noch schneller werden negative Auswirkungen offensichtlich, wenn auf UX-Designer:innen verzichtet wird. Das Erlebnis einer Nutzerin oder eines Nutzers mit den Antragsstrecken zahlt direkt auf die Conversion Rate und damit die Abschlussquote ein. Werden mit dem Low-Code-System Applikationen gebaut, die wenig intuitiv, unverständlich oder gar anstrengend erscheinen, werden Anwender:innen unzufrieden sein und vor Abschluss abspringen. Die Arbeit von UX-Designer:innen ermöglicht es, positive Erlebnisse und Emotionen bei den Kunden zu erzeugen. Ein Team aus Fachbereich und Citizen Developer sollte daher regelmäßig IT-Architekt:innen und UX-Designer:innen in ihren Projekten konsultieren, um Ratschläge, Optimierungsmaßnahmen und Unterstützung zu erhalten.

Abhängigkeiten und Prozesse bei der Nutzung von Low-Code-Plattformen

Eigenentwicklung vs. Standardlösung

Im Umfeld von Versicherungen und Banken werden eine Vielzahl von Kundendaten verarbeitet, Raten berechnet und Validierungen durchgeführt. Für diese Tätigkeiten müssen in der Regel Kernsysteme durch technisch aufwendige Implementierungen vor dem produktiven Einsatz an ein Low-Code-System angebunden sein. Kann mit Blick auf diese Komplexität ein Low-Code-System überhaupt funktionieren? Ist eine individuelle Entwicklung besser geeignet oder kann auf eine Standardlösung zurückgegriffen werden?

Bereits heute bringen die verschiedenen Low-Code-Plattformen oft Connectoren für Standardsoftware mit. Entscheidend ist, dass die Technologie optimal auf die jeweilige Branche zugeschnitten ist, um den Anpassungsbedarf der Standardlösung so gering wie möglich zu halten. Je nach fachlichem Anwendungsfall kann jedoch auch eine Eigenentwicklung sinnvoll sein. Dies gilt es im Vorfeld abzuwägen, um eine nachhaltig erfolgreiche und passgenaue Lösung zu etablieren. Ein wichtiges Bewertungskriterium kann z. B. die einfache Anbindung von Services durch Drittanbieter über Schnittstellen an interne IT-Anwendungen sein. Besonders geeignet sind Services, die mehrfach vorkommen und bestehende manuelle Prozesse automatisiert ersetzen. Beispiele hierfür sind Identifizierungsprozesse oder Services zur Bonitätsprüfung.

Die folgenden Fragen helfen bei der Auswahl der richtigen Low-Code-Plattform:

  • Was sind die erfolgversprechendsten Use Cases in Bezug auf IT-Ressourcenoptimierung und Kundenzufriedenheit?
  • Welche Daten und Integrationen an vorhandene IT-Systeme werden für die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten benötigt?
  • Wo liegen potenzielle „low hanging fruits“?
  • Welche Low-Code-Plattformen erfüllen die individuellen Anforderungen am besten?
  • Wie hoch sind die Kosten der Plattform im Vergleich zu den Einsparungen?
  • Welche Erweiterungs- und Skalierungsmöglichkeiten bietet die Plattform?
  • Wie soll direktes Nutzerfeedback berücksichtigt werden?

Ein Blick in die Zukunft

Die rasante Entwicklung von Low-Code-Plattformen hat die Art und Weise, wie Anwendungen entwickelt werden, grundlegend verändert. Doch was bringt die Zukunft? Eine vielversprechende Perspektive liegt in der Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) und Large Language Models (LLM). Diese Verschmelzung eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die Anwendungsentwicklung und verspricht eine nahtlose Benutzerinteraktion sowie intelligente Konversation.

Einerseits kann KI durch die automatisierte Erstellung von Code in der Programmierung unterstützen und zu einer erhöhten Geschwindigkeit und Effizienz beim Ausbau oder der Wartung der Plattform beitragen. Andererseits ermöglicht KI aber auch, bestehenden Code auf Fehler oder Verbesserungspotenzial hin zu überprüfen. Je nach Bedarf des Versicherers können IT-Ressourcen dadurch noch effizienter eingesetzt und Prozesse kontinuierlich optimiert werden. Als besonders vielversprechend erweist sich bereits heute die Text-to-Code-Technologie, die fachliche Anforderungen und Geschäftsregeln von natürlicher Sprache automatisch in Codezeilen umwandelt.

Durch die Implementierung von LLMs wie Chat GPT in den Touchpoints entlang der Customer Journey der Antragsstrecken ergeben sich völlig neue Use Cases, um die Kundenbedürfnisse noch besser zu bedienen. Eine Kombination aus Speech 2 Text Frameworks (z. B. AWS Polly), die gesprochenes in Text umwandeln und Voice-Bots, die durch natürliche Sprache via LLM eine erheblich bessere Qualität in der Kundenkommunikation schaffen, kann in Low-Code- Antragsstrecken ein neues Kundenerlebnis geschaffen werden.

Low-Code: Ein vielversprechender Ansatz

Low-Code ist eine vielversprechende Lösung, um den Herausforderungen des Marktes erfolgreich zu begegnen. Das Baukastenprinzip von Low-Code-Plattformen ermöglicht eine modulare Anwendungsarchitektur, die leicht angepasst werden kann und Unternehmen die Chance bietet, sehr kundenzentriert zu agieren. Dank der intuitiven Benutzeroberfläche können Mitarbeitende in Businessbereichen oder im Marketing neue Vertriebs- und Serviceanwendungen erstellen, optimieren und das Kundenerlebnis auf diese Weise schnell verbessern.

Insgesamt stellt Low-Code ein leistungsfähiges Instrument dar, das Banken und Versicherungsunternehmen dabei unterstützt, effizienter zu arbeiten, langfristig Kosten zu senken und sich in einem schnelllebigen Markt nachhaltig wettbewerbsfähig aufzustellen.

Verfasst von:

  • Svenja Krämer

    Senior Manager – Deutschland, Hamburg

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  • Nico Richter

    Manager – Deutschland, Frankfurt am Main

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  • Christoph Riedl

    Senior Managing Consultant – Deutschland, München

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