Sustainable Finance: Die acht Dimensionen einer nachhaltigen Transformation
Veröffentlicht am 16. Februar 2024
- Banken
- Nachhaltigkeit

Das Thema Sustainable Finance entwickelt sich rasant zu einem zentralen Handlungsfeld für Finanzdienstleister. Ob als Vorreiter oder zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen – die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten und ESG-Kriterien in Geschäftsmodelle und Prozesse ist für Finanzinstitute aller Art unumgänglich geworden. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Dimensionen dieses Transformationsprozesses.

Der erste elementare Schritt ist die Auseinandersetzung mit der firmenweiten Strategie. Soll Nachhaltigkeit zum Aushängeschild werden und neue Kunden anziehen? In diesem Fall müssen Sie Ihr Geschäftsmodell grundlegend überdenken und Ihre Unternehmensstrategie entsprechend anpassen. Dabei stellen sich zentrale Fragen: Welche externen Commitments (z.B. Principles of Responsible Investment, Net-Zero Banking Alliance) wollen Sie unterzeichnen und wie werden diese umgesetzt? Welche KPIs und Nachhaltigkeitsindikatoren sind erforderlich? Streben Sie eine minimale Compliance an oder möchten Sie über die Standardanforderungen hinausgehen? Häufig genügt bereits die Entwicklung, Umsetzung und Veröffentlichung einer fundierten Nachhaltigkeits-Anlagestrategie und die Erfüllung der minimalen Reporting-Anforderungen. Die optimale Strategie muss dabei von jedem Unternehmen individuell definiert werden, da die Anforderungen und Rahmenbedingungen stark variieren.
Die organisatorische Implementierung des Nachhaltigkeitsansatzes ist ein Schlüsselfaktor, der je nach Unternehmensgröße und strategischer Priorisierung unterschiedlich ausgestaltet werden kann. Zentrale Fragen sind dabei: Welche Rollen und Komitees sind notwendig? Ist eine zentrale Experteneinheit mit direkter Anbindung an den CEO sinnvoll? Oder sollten Expert:innen in allen Abteilungen platziert werden, um die Transformation dezentral voranzutreiben? Die Beantwortung dieser Fragen ist essenziell für eine erfolgreiche Umsetzung, wobei der konkrete Implementierungsaufwand maßgeblich von der gewählten Strategie abhängt.
Die Berichterstattung erfordert eine durchdachte Strategie: Welche Reports sind auf Produkt-, Kunden- und Unternehmensebene (z.B. GRI, SASB, UN Global Compact) für die Compliance erforderlich? Welche aufsichtsrechtlichen Anforderungen (z.B. TCFD) bestehen oder zeichnen sich ab, und welche Fristen sind zu beachten? Ist eine interne Erstellung der Reports sinnvoll oder wäre ein Outsourcing des ESG-Reporting wirtschaftlicher?
Im Bereich Marketing und Vertrieb stellen sich weitere Fragen: Soll das Thema nachhaltige Anlagen proaktiv bei Kunden positioniert werden, oder genügt eine interne Schulung der Mitarbeitenden für kundeninitiierte Gespräche? Sind spezielle ESG-Vertriebs- oder Ausbildungsinitiativen geplant? Lässt sich das Thema zur Steigerung der Attraktivität für Kunden und potenzielle Arbeitgeber einsetzen?
Glaubwürdigkeit erfordert ein solides Risikomanagement und wirksame Kontrollen. Dies betrifft sowohl Rahmenwerke und Richtlinien als auch das operative Risikomanagement. Dabei stellen sich zentrale Fragen: Welche Risiken sollen gemessen werden und wo liegt der anfängliche Fokus? Welche sind materiell? Wie begegnen Pensionskassen und Versicherungen dem Risiko, auf illiquiden Rohstofftiteln sitzen zu bleiben? Wie werden Nachhaltigkeitsaspekte im Kreditvergabeprozess angemessen berücksichtigt?
Weitere Herausforderungen ergeben sich für das operative Risikomanagement: Welche zusätzlichen Szenarien werden für ESG-erweiterte Stresstests benötigt? Wie müssen Frühwarnsysteme und Verlustdatenbanken angepasst werden? Wie können Risiken und Kontrollen revisionssicher dokumentiert werden?
Innovative Produkte und Dienstleistungen bieten ein wichtiges Differenzierungspotenzial im Wettbewerb. Wie können Banken ihre Attraktivität für die nächste Generation sichern? Nachhaltigkeit eröffnet neue Geschäftsfelder wie grüne Kreditkarten oder Hypotheken. Zentral ist auch die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in Research, Anlagestrategie und Titelauswahl.
Die zunehmende Markttransparenz erfordert eine klare und verständliche Darstellung der Anlagestrategie und Titelauswahl in den Prospekten – unabhängig von der Größe der Bank. Wie kann dies kundenorientiert und wettbewerbsdifferenzierend umgesetzt werden? Eine besondere Herausforderung stellt die nachhaltige und gleichzeitig renditeorientierte Anlage von Pensionsvermögen dar.
Die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in den Beratungsprozess gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wie können Nachhaltigkeitsinteressen bereits in der Kundenakquisition erfasst und dokumentiert werden? Ist eine Anpassung des Beratungsprozesses für ESG-Aspekte notwendig oder reicht ein modularer Ansatz für unterschiedliche Kundeninteressen?
Welcher Kanal eignet sich am besten: persönliche Beratung oder digitale Tools/Apps? Ist eine Individualisierung des Reportings nach ESG-Präferenzen sinnvoll? Wie wird sichergestellt, dass Kundenberater:innen über ausreichende Nachhaltigkeitskompetenz verfügen und diese im Kundengespräch souverän einsetzen können? Liegt ein Mehrwert in Weiterbildungsangeboten für Kunden zum Thema?
Gerade im Bereich Nachhaltigkeit und ESG ist eine gute Datenbasis unerlässlich. Sollte bei dieser Gelegenheit auch die IT-Infrastruktur erneuert werden, um einen echten Wettbewerbsvorteil zu erzielen? Ohne ein gutes Datenmodell kann die Fülle an ESG-Daten nicht integriert und genutzt werden. Zentral ist die Analyse des Datenbedarfs und die Frage, wer die Daten liefern kann und soll.
Die Daten müssen so aufbereitet werden, dass sie von allen Abteilungen – Research, Portfoliomanagement, Risikomanagement und Vertrieb – verstanden und effizient genutzt werden können. In Kombination mit künstlicher Intelligenz könnte das Kundenverhalten und damit das Vertriebspotenzial verbessert werden. Lässt sich die Datenbasis auch zur Ausbildung von Kundenberater:innen und als Informationsquelle für Kunden nutzen? Können FinTechs als attraktive und schnelle externe Lösung dienen? Moderne Technologie ermöglicht zudem ein weitgehend automatisiertes Reporting, um den Aufwand zu minimieren.
Die Transformation muss nicht alle Dimensionen gleichzeitig umfassen – ein gezielter Einstieg mit den wichtigsten Bereichen ist sinnvoll. Dies kann sowohl mit interner Expertise als auch mit externer Unterstützung erfolgen. Letztere bietet sich insbesondere für die erste neutrale Analyse, die Entwicklung der Roadmap und die thematische Priorisierung an. Später können externe Moderatoren und Fachexperten den Transformationsprozess zusätzlich begleiten.
Sustainable Finance und ESG werden in Zukunft an Relevanz gewinnen. Nicht nur Finanzdienstleister, sondern alle Unternehmen müssen ihre Prozesse transparenter gestalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Im internationalen Vergleich treibt vor allem Europa die Regulierung voran. Daher bietet sich jetzt die Chance, die grundlegenden Anforderungen proaktiv in den Geschäftsalltag zu integrieren, statt später unter Zeitdruck reagieren zu müssen.
Die acht Dimensionen und ihre Fragen bilden die Grundlage unseres ESG-Reifegradmodells. Wollen Sie Ihren aktuellen Stand ermitteln? Die ESG-Reifegradanalyse ist dafür der ideale Einstieg. Sie können diese Voranalyse umfassend für alle Dimensionen oder gezielt für ausgewählte Bereiche durchführen. Die Schnellanalyse verfolgt drei Ziele: Sie identifiziert konkrete Verbesserungspotenziale in Ihren Kerndimensionen, empfiehlt eine Priorisierung der nächsten Schritte und entwickelt eine zeitlich und inhaltlich abgestimmte Roadmap für Ihre nachhaltige Transformation.
Verfasst von
-
Marion Ehringhaus
Principal Consultant – Schweiz, Zürich
Wavestone
LinkedIn